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Zentrum und Peripherie des 19. und 20. Dezembers 2001

30. Okt 2003 05:08 ~ comments(0)

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Der 19. und 20. Dezember 2001 sind in der argentinischen Gesellschaft immer noch präsent- als Revolte, als Zeit- und Bezugspunkt für ein gemeinsames Aufbegehren gegen schlechte Regierungspolitik und gegen das, was viele als den Ausverkauf des Landes auf ihre eigenen Kosten wahrnehmen. Das kollektives Nein- Sagen fand in der Erinnerung der Menschen in den Strassen der Capital Federal, vor allem auf der Plaza de Mayo statt: dem politischen Zentrum Argentiniens. Hier steht die Casa Rosada, das rosa Regierungsgebäude. Wir haben in wenigen Gesprächen von Menschen direkt erfahren können, wie sie diesen Kampf um diesen symbolhaften Ort erlebt haben. In den Erzählungen entsteht aber oft dasselbe Bild, das ein Augenzeuge uns malt: Er war mit seinen Kindern im Stadtzentrum unterwegs, als die Rangeleien begannen. Er brachte seine Kinder in Sicherheit, nach Hause, kehrte dann aber in das Stadtzentrum zurück, empört darüber, dass die Polizei ihm das Recht verweigert, zu demonstrieren. Wie viele Andere beschreibt er, wie wichtig es schien, auf den Platz zu gelangen. Und auch er führt die dreissig Toten dieser beiden Tage als Zeichen auf, wie heftig die Polizei gegen die Protestierenden vorging.

Doch was viele der hauptstädtischen Mittelklasse als Gefühl des gemeinsamen Kampfes gegen die Staatsmacht behalten, stellt sich für Menschen in den ärmeren Aussenstadtbezirken Groß- Buenos Aires´ kehrseitig dar: Zwei Frauen aus dem Stadtteil Fiorito im Süden von Groß- Buenos Aires schildern, wie sich hier nicht Menschen gegen die Polizei, sondern gegeneinander zusammentaten. Für mehrere Tage seine die Strassen leer gewesen aus Furcht davor, angegriffen zu werden, und aus Furcht vor Plünderungen wurden Geschäfte von ihren Besitzern mit Waffengewalt verteidigt. „Es wurde gezielt von Punteros (VertreterInnen der großen politischen Parteinen vor Ort: Stichwort Klientilismus) und Polizei Gerüchte gestreut, dass sich die Menschen im Nachbarbezirk zusammenrotten würden, da sie dort bereits alle Geschäfte geplündert hätten. Und dass sie kämen, um hier im Viertel zu plündern. Hier gingen die Leute nicht auf die Strasse um zu demonstrieren. Einen Tag lang waren kaum NachbarInnen auf den Strassen zu sehen, und wenn, dann höchstens bewaffnet. Drei Tage lang konnte ich nicht schlafen wegen des Qualmes der brennenden Reifen, die als Barrikade gegen Autos aus dem Nachbarviertel auf der Kreuzung vor unserem Haus angezündet worden waren.“ 23 der 30 Toten des Aufstandes Ende Dezember 2001 seien in Gran Buenos Aires zu beklagen, wo Menschen aus Angst, aber auch aus Frust und Zorn aufeinander geschossen haben. Und die Plünderungen, die stattfanden, hätten recht wenig mit gerechter Umverteilung zu tun gehabt: „Die Läden, die geplündert wurden, waren kleine Läden hier in den Barrios. Carrefour oder ein anderer dieser Riesensupermärkte: die wurden nicht angetastet“, erzählt eine der beiden Frauen weiter. Ein Mann, der viel mit Kleinstunternehmen in Gran Buenos Aires zusammenarbeitet, vertritt die Ansicht, dass diese Plünderungen unzählige Existenzsicherungen kaputtgemacht haben. Mühsame Arbeit von Basisinitiativen wurde durch das Misstrauen, das diese Tage in den Vierteln entstand, zerstört.


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